JÜRGEN STICH
KLEINMACHNOW "Wer aus der trostlosen und nervenzerreißenden Steinwüste
der Großstadt sich in dieses Waldidyll versetzt sieht, wird freudig aufatmen
und seine Phantasie beflügelt fühlen in dem ausgesprochen altritterlichen Millieu."
So beschrieb der Berliner Architekturkritiker Max Rapsilber das Kleinmachnow
des Jahres 1903, als die Zehlendorf-Kleinmachnower Terrain-Aktiengesellschaft
die "Villenkolonie" auf dem Gutsgelände der Familie von Hake
plante. Doch bereits wenige Jahre später ist 1910 in einem Aufsatz von den
"Waldverwüstern in der Nähe des bisher so idyllischen Kleinmachnow"
die Rede.
Schon allein wegen solcher Einsichten in die frühe Entwicklung des Ortes
zwischen Berlin und Teltowkanal lohnt sich die Anschaffung des Buches
"südwestlich siedeln - Kleinmachnow bei Berlin. Von der Villenkolonie
zur Bürgerhaussiedlung", das jüngst im Lukas Verlag erschien.
In beeindruckender Weise haben die beiden Autorinnen Nicola Bröcker und
Celina Kress auf 183 reich bebilderten Seiten die entscheidende Besiedlungsphase
des "neuen" Kleinmachnow in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
nachgezeichnet.
"Idylle" oder "Waldverwüstung" - was damals bereits
kontrovers gesehen wurde, bestimmt heute wieder die Diskussion. Weil
Kleinmachnow seit der Wende von 1989 erneut "besiedelt" wird - man
denke nur an das just entstehende Wohngebiet zwischen Stolper Weg und
Stahnsdorfer Damm -, ist die Geschichte des Berliner "Vorortes" für
die neu Zuziehenden und die Alteingesessenen so lehrreich.
Schwerpunkte im Buch sind die Villenkolonie mit einer in dieser
Vollständigkeit noch nicht vorgelegten Beschreibung sämtlicher Häuser des
Areals sowie die Bürgerhaussiedlung, die eng mit dem Namen des jüdischen
Bauunternehmers Adolf Sommerfeld verbunden ist.
Dabei wird deutlich, dass die stückweise Bebauung des nördlich des 1906
eröffneten Teltowkanals gelegenen Gutslandes in Kleinmachnow sich einfügt in
den allgemeinen Drang der Berliner Bevölkerung, sich an den Stadträndern den
Traum vom Landhäuschen zu verwirklichen. Allerdings blieb die verkehrliche
Anbindung an die Hauptstadt buchstäblich auf der Strecke. Weder der Anschluss
an die U-Bahn, noch eine anvisierte Straßenbahn auf dem heutigen Zehlendorfer
Damm wurden realisiert. Dieses Manko bereitet der Gemeinde bis heute
Kopfzerbrechen.
Das Buch wird heute 19.30 Uhr im Kultur- und Kunstverein Kleinmachnow,
Zehlendorfer Damm 45-47, vorgestellt: "südwestlich siedeln" ist
erschienen im Berliner Lukas Verlag und kostet 24,90 Euro. ISBN
3-936872-30-9.
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