Märkische Allgemeine Zeitung 30.10.2004

Uraufführung in Kleinmachnow
Trägerverein will Kammerspiele pachten / Steckel inszeniert "Inferno"

 

JÜRGEN STICH

KLEINMACHNOW Das Kulturhaus Kammerspiele steht möglicherweise vor einer spektakulären Wiedergeburt als öffentlicher Theaterraum und als Ort, in dem sich bürgerschaftliches Engagement in Kleinmachnow auf kulturellem Gebiet formiert. Initiatoren des Neustarts sind der seit einiger Zeit bestehende Förderverein mit inzwischen 100 Mitgliedern und der jüngst gegründete und als gemeinnützig anerkannte "Trägerverein Kulturhaus Kammerspiele".

Das zentrale Projekt für das Jahr 2005 soll die Uraufführung eines nachgelassenen Stücks des Dramatikers Peter Weiss mit dem Titel "Inferno" sein. Der Regisseur Frank-Patrick Steckel hat die Aufführungsrechte vom Suhrkamp-Verlag erworben und wird "Inferno" in Kleinmachnow auch inszenieren.

"Die Kammerspiele wären dafür ein idealer Ort", sagte der Vorsitzende des Trägervereins, Gunnar Hille, der MAZ. Falls wider Erwarten keine Einigung zum weiteren Betrieb des Kulturhauses zustande käme, könnte sich Hille die Uraufführung auch an anderer Stelle, zum Beispiel in einem mobilen "Spiegelzelt" auf dem Gelände des "Europarc Dreilinden" vorstellen.

Vorstand hat sich formiert

Steckel, der von 1986 bis 1995 Intendant am Schauspielhaus Bochum war und derzeit in Mannheim die Oper "Fidelio" inszeniert, ist neben Hille und dem Kommunalpolitiker Frank Nägele im Vorstand des Trägervereins aktiv. Unter den sieben Mitgliedern zeichnet die freie Dramaturgin und Theaterregisseurin Ina Schott für die künstlerische Ausrichtung verantwortlich.

 

Eine vom Trägerverein formulierte Absichtserklärung zum zukünftigen Betrieb des Kulturhauses in der Karl-Marx-Straße liegt dem Kleinmachnower Bürgermeister Wolfgang Blasig und dem Eigentümer der Kammerspiele, Karl-Heinz Bornemann, zur Unterschrift vor. Vereinsvorsitzender Hille hat von beiden Seiten bereits "positive Signale" erhalten.

Im Kern sieht das Konzept vor, dass der Trägerverein das Kulturhaus vom Eigentümer pachtet und dort ein umfangreiches kulturelles Angebot verwirklicht, zu dem auch weiterhin das Kino gehören wird. Die jährlichen Betriebskosten schätzen Hille und Schott auf rund 400 000 Euro. Das Geld soll laut Verein "durch eine Beteiligung der Gemeinde Kleinmachnow, durch Zuschüsse und Förderprogramme des Landes Brandenburg, Nutzungspartner, Sponsoren und Bürger-Bürgschaften für einen Bankkredit sowie Spenden" aufgebracht werden. Außerdem müssen Mittel zur technischen und baulichen Sanierung des Kulturhauses beschafft werden.

Bürgermeister Wolfgang Blasig nannte auf MAZ-Nachfrage die Absichtserklärung des Vereins "unterschreibbar". Die Idee, Kleinmachnower Bürger über Bürgschaften, Spenden oder Sponsoring zu beteiligen, sei "der richtige Weg". Noch bis Ende 2003 hatte die Kommune das Kulturhaus gepachtet und mit jährlich insgesamt rund 250 000 Euro bezuschusst.

"Für Veranstaltungen haben wir damals jährlich 60 000 Euro ausgegeben", so Blasig. In dieser Größenordnung könnte sich der Bürgermeister den künftigen Zuschuss der Gemeinde vorstellen, will aber "zuvor die Ausschüsse und Gemeindevertreter damit befassen".

Seit dem 1. Januar dieses Jahres führt Hauseigentümer Karl-Heinz Bornemann das Kulturhaus und das integrierte Kino in eigener Regie. Bornemann, der für eine Stellungnahme nicht zu erreichen war, habe dem Verein aber glaubhaft versichert, zuletzt sogar schriftlich, dass er bereit sei, "alles zu verpachten", so Gunnar Hille. Die Gespräche würden seit langem laufen und auch weiter fortgeführt.

Kommt das Pachtverhältnis zustande, will der Trägerverein ein Programm in den Kammerspielen anbieten, das Besucher aus der Teltower Region, aber auch aus Potsdam und den südlichen Berliner Bezirken nach Kleinmachnow lockt. Neben der Uraufführung des Weiss-Stücks "Inferno" sind laut Ina Schott bereits für 2005 weitere Eigenproduktionen auf der Bühne geplant. Eine enge Zusammenarbeit ist mit dem Potsdamer Hans-Otto-Theater vorbesprochen, das Stücke in Kleinmachnow zeigen will. Konzerte unter anderem mit dem "Uli Lenz Trio", Lesungen mit Ignatz Kirchner und Imre Kertesz und regelmäßige Talk-Runden mit ebenfalls prominenter Besetzung sind geplant.

Neben der "Hochkultur" will der Trägerverein das Haus auch für Schüler, Jugendarbeitskreise, Senioren und Familien öffnen. "Es soll ein Treffpunkt für alle Einwohner werden, ein Ort des kritischen Beobachtens und aktiven Nachdenkens", so Schott. Eng eingebunden in das Konzept seien darüberhinaus "als lokales Kulturnetzwerk" die Künstler, Schauspieler und Autoren der Region. Kinder- und Musikfilme, Klassiker und Stummfilme sollen den Kammerspielen auch als "Programmkino" ein unverwechselbares Profil geben.

Förder- und Trägerverein seien sich klar darüber, dass die Kleinmachnower Kammerspiele nicht mit Berliner Einrichtungen konkurrieren könne. "Damit das Projekt dennoch gelingt, ist eine professionelle Leitung des Hauses aber unbedingt erforderlich."