Märkische Allgemeine Zeitung 11.09.2004

Kehrtwende beim Schleusenbau
Minister rückt von 190-Meter-Kammer in Kleinmachnow ab / Stolpe prüft

 

JÜRGEN STICH KLEINMACHNOW
Eine Woche vor der Landtagswahl in Brandenburg zeichnet sich im Streit um den Ausbau der Kleinmachnower Schleuse eine sensationelle Wendung ab. Verkehrsminister Frank Szymanski (SPD), der bislang die Verlängerung der Schleusen-Nordkammer auf 190 Meter für unverzichtbar erklärt hatte, tritt jetzt für eine deutliche Beschneidung des Projekts ein. Danach sollen die Kammer nur noch von 85 auf 115 Meter verlängert und "kleinere Vorhäfen" angelegt werden. "Damit", so Szymanski, "sind dann auch geringere Eingriffe in die Natur verbunden." Außerdem soll der Bund die marode Mittelkammer "dauerhaft von 67 auf 85 Meter" ausbauen. Die Kosten für das Projekt würden sich von mehr als 50 Millionen auf 30 Millionen Euro reduzieren.

Szymanski hat seine Vorschläge, die von Ministerpräsident Matthias Platzeck unterstützt werden, gestern schriftlich Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe übermittelt und ihn gebeten, den "Kompromiss" zu prüfen. Der Bund ist Vorhabensträger des Schleusenausbaus, weil dieser ein Teil des Verkehrsprojekts Deutsche Einheit Nr. 17 ist. Erst vor wenigen Tagen hatte Stolpe bei einem Kurzbesuch in Kleinmachnow erklärt, man müsse beim Thema Schleusenausbau "eine Denkpause" einlegen.

Hintergrund des Vorstoßes von Minister Szymanski ist möglicherweise ein Streit zwischen Bund und Land, der sich hinter den Kulissen im April dieses Jahres abspielte. Um während der Bauzeit den Schiffsverkehr weiter zu gewährleisten, war die Verlängerung der Mittelkammer auf 85 Meter bereits im Planfeststellungsbeschluss enthalten. Aus Kostengründen wollte der Bund diesen Ausbau aber nicht vornehmen.

 

Szymanski protestierte dagegen: Für die veranschlagte Bauzeit von vier Jahren befürchtete er einen erheblichen Schaden für die Binnenschifffahrt und die Hafenwirtschaft der Region. In seinem gestriger Kompromissvorschlag schreibt er: "Mir war es wichtig, dass der Teltowkanal auch bei Bauarbeiten benutzbar bleibt." Außerdem halte er es für "ausreichend, dass der Kanal in diesem Bereich mit bis zu 110 Meter langen Schiffen befahren werden kann".

"Diese Einsicht hätte ich mir von der Landesregierung bereits viel früher gewünscht", sagte die grüne Landtagskandidatin Cornelia Behm in einer ersten Reaktion gestern zur MAZ. Sie warnte die Gegner des Ausbaus vor zu großer Euphorie. "Die SPD hat schon viele Prüfaufträge an Berlin weitergegeben, die dann im Sand verlaufen sind." Trotzdem zeige sich an diesem Beispiel, dass sich hartnäckiges Bürgerengagement lohne.

Innenminister Jörg Schönbohm, Direktkandidat im Wahlkreis 20 und seit Jahren erklärter Gegner des Schleusenausbaus, sprach angesichts des nahen Wahltermins von einem "durchsichtigen und abgekartertem Spiel" der Landes-SPD. Er freue sich über die Kehrtwende Szymanskis, aber man hätte dieses Ergebnis bereits vor sechs Monaten haben können. "Die Wähler werden das nicht honorieren." Auch für Landtagskandidat Hans-Peter Goetz kommt die Einsicht der SPD "zehn Jahre zu spät".

Wenn der Kompromiss kein "kurzzeitiger Wahlkampfschlager" sei, so PDS-Kandidat Klaus-Jürgen Warnick, könne er damit leben. "Alle Maßnahmen, die den unsinnigen Schleusenausbau verhindern, begrüße ich."

Und SPD-Direktkandidat Jens Klocksin resümierte: "Brandenburg bewegt sich in dieser Frage endlich in die richtige Richtung."

Trotz der neuen Entwicklung wird heute um 10 Uhr auf dem Kleinmachnower Rathausmarkt die geplante Demonstration gegen den Schleusenausbau stattfinden.