Märkische Allgemeine Zeitung 05.06.2004  

"Arlecchino" spielt Einstein

Lehrerin Fiorenza Renn gründete an der Kleinmachnower Steinwegschule eine besondere Theatertruppe

JENS STEGLICH KLEINMACHNOW
Kann man Licht fangen? Wie groß ist der größte Raum, wie tief ein schwarzes Loch? Und noch interessanter: Was antworten eigentlich Grundschüler auf solche Fragen? Wir werden es sehen bzw. hören - im nächsten Jahr, wenn die Theatergruppe der Kleinmachnower Steinwegschule das Stück "Einstein in der Schule: War Albert ein Genie?" aufführt. Schreiben wird es Fiorenza Renn, Lehrerin an der Steinwegschule. Den Stoff für das Stück bekommt sie zum großen Teil aber von den Kindern selbst geliefert, die lange vor der Premiere im Juni 2005 auf solche und ähnliche Fragen ihre Antworten geben werden.

Das Theater-Projekt zum Einstein-Jahr, das anlässlich des 100. Geburtstages seiner Relativitätstheorie für 2005 ausgerufen wurde, konnte allerdings noch nicht mit in die Wertung einbezogen werden, als Schulrektorin Brigitte Güllmar ihre Englischlehrerin Fiorenza Renn für die Image-Kampagne "Gute Lehrer - Klasse Schule" vorschlug. In die engere Wahl kam das, was die Projektleiterin mit ihrer Theatergruppe "Arlecchino" schon in der Vergangenheit auf die Bühne brachte, trotzdem. Von den 110 brandenburgweit eingereichten Projekten schaffte es Frau Renn mit ihren kleinen Schauspielern unter die besten 28. Wer indes das Werden und Wachsen der Akteure in den vier bisher aufgeführten Stücken verfolgen konnte, hätte dafür wohl Platz eins vergeben. Haben "Arlecchino" und seine Regisseurin doch gleich mehrere Besonderheiten zu bieten. Eine davon: Auf der Bühne wird englisch und italienisch gesprochen - von Schülern der 1. bis 4.Klasse.

 

Wenn sie auf den Theater-Brettern stehen, "spielt es keine Rolle mehr, welche Sprache sie sprechen. Sie machen es dann ganz unbewusst", sagt die Lehrerin. So lernt man Englisch spielerisch - und wie im Schlaf. Angefangen hat alles - wie könnte es anders sein - mit einer Frage. "Wie kann man mit mehr Spaß Englisch lernen", fragte sich Fiorenza Renn, die zunächst als Mutter von Steinwegschülern die AG Englisch übernahm. Für sie war die übliche AG-Arbeit langweilig. Wahrscheinlich sahen es die Kinder nicht anders. Es entstand jedenfalls die Idee vom Fremdsprachen-Theater, dessen erstes Produkt "Snowwhite" hieß. Der Schuldirektorin passte die Idee wunderbar ins Konzept, das in der Steinwegschule das frühe Erlernen von Fremdsprachen und die "musisch-künstlerische Ausrichtung" miteinander verbindet.

Dem ersten Stück folgten Alice in Wonderland sowie Pinocchio I und II. Beim Theater sollten die Kinder aber nicht nur Sprachen lernen, ein bisschen Philosophie sollte auch dabei sein. Bei Pinocchio stellte sich da zum Beispiel die Frage: Was heißt es, eine Marionette zu sein? Überhaupt sollen die Stücke von Fiorenza Renn neben dem Sprachzentrum auch andere graue Zellen im Kinderkopf bewegen. So gilt es vor den eigentlichen Theaterproben, sich mit dem Stoff auseinander zu setzen. Das heißt bei der beliebten wie strengen Projektleiterin: Wer mitspielen will, muss vorher das Buch über Pinocchio oder Alice im Wunderland lesen.
Das darf man dann aber auf deutsch tun. Was später hilft, wenn jeder Schüler jene Worte ins Deutsche übersetzt, die er im Theater-Stück zu sprechen hat. Dies macht er nicht nur für sich, sondern auch für die Zuschauer, die in englischer und italienischer Sprache nicht so sattelfest sind. Sie bekommen vor der Aufführung ein kleines Heftchen, in dem die Dialoge deutsch nachzulesen sind.

Das Publikum muss allerdings noch etwas mehr leisten. Oft wird es mit ins Theaterspiel einbezogen. Bei Pinocchio wartete die Überraschung unter dem Theatersitz. Als Pinocchio beim Lügen eine lange Nase bekam, wurde das Stück unterbrochen. Warum soll nur Pinocchio eine lange Nase bekommen, wenn auch andere im Saal - womöglich der Bürgermeister oder die Schulrätin - in ihrem Leben sicher schon gelogen haben? Also heißt es mitten in der Vorstellung unter den Stuhl greifen, das Material hochholen, um sich eine lange Nase zu basteln.

Ihren Anteil an den Gemeinschaftswerken haben auch Eltern, die mit an den Kostümen arbeiten. Den richtigen Blick für ein gutes Bühnenbild bringt wiederum die Grafikerin Marion Zimmermann ein. Gebraucht werden immer auch Sponsoren. Für die geplanten Einstein-Projekte will beispielsweise die Druckservice Copythek Kleinmachnow das gesamte Druckmaterial übernehmen. Und wenn wie bei Pinocchio vorher auch noch ein Komponistenwettbewerb ausgerufen wird, sind die Musiklehrer zur Stelle. Beim Komponieren beteiligten sich übrigens 35 Kinder. Gefunden werden sollte die Musik, die am besten zu Pinocchio passt. Am Ende wurden dann fast alle dabei entstandenen Musikwerke ins Theaterstück eingebaut.

Ob alle Antworten auf jene Fragen, die auch Einstein den Kindern hätte stellen können, mit ins geplante Stück über das Wissenschaftsgenie eingearbeitet werden, steht indes noch nicht fest. Die Fragen haben sich übrigens wirklich Wissenschaftler ausgedacht - speziell auch für Grundschüler. Das Ganze ist Bestandteil eines vom Brandenburger Bildungsministerium unterstützten Tests, an dessen Ende ein Koffer stehen wird. Genau genommen soll es ein Einstein-Koffer sein, den später Lehrer in die Hand bekommen. Inhalt: Material über Albert Einstein - unter anderem für den Unterricht mit Grundschülern kindgerecht aufbereitet.

Was alles in den Koffer hinein kommt, entscheidet sich auch in der "Werkstatt des Wissens", in der Kinder auf die Fragen der Wissenschaftler des Comenius-Gartens Berlin-Neukölln antworten. Fiorenza Renn hört dort genau zu, um live zu erleben, was später in ihrem Theaterstück zum Einstein-Jahr eine Rolle spielen soll.