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JÜRGEN STICH
REGION TELTOW Mit der drohenden Schließung der Teltower Realschule fing alles
an. Sebastian Claus, Schüler der neunten Klasse, organisierte eine
Demonstration für den Erhalt der Schule und brachte jüngst auf Anhieb mehrere hundert
Jugendliche auf die Straße. In Potsdam zogen sie vom Kepplerplatz vor das
Bildungsministerium.
Dort bekamen die jungen Protestler die üblichen Ausreden zu hören: zu wenig
Neuanmeldungen für das kommende Schuljahr; zwei Klassen kommen nicht zu
Stande; Ausnahmegenehmigung nicht möglich, weil das Schulgesetz so etwas
nicht vorsieht. Sebastian fasst sich an den Kopf. "Das wissen wir alles
schon, aber wir wissen auch, dass das Geburten-Tal in unserer Region in
spätestens zwei Jahren durchschritten ist." Wenn die Realschule aber
erst einmal geschlossen ist - das sagen auch Lokalpolitiker vor Ort - wird
sie nicht wieder eröffnet.
Eine bittere Lehre in Sachen Politik erhielt Sebastian dann vor wenigen
Tagen. Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich in Teltow angesagt.
"Wir haben eine Kundgebung angemeldet und wollten Schröder eine
Resolution übergeben." Doch aus dem Treffen mit dem Kanzler wurde
nichts. Den mächtigen Mann aus Berlin sahen die jungen Leute, die erneut für
ihre Realschule auf die Straße gegangen waren, nur von fern. Der Durchlass
wurde ihnen nicht gewährt.
Als die Limousinen abgerauscht waren, machte sich auch bei Sebastian
Enttäuschung breit. Klein beigeben will er trotzdem nicht. Mit dem versierten
Jungpolitiker Sebastian Singer, Gemeindevertreter im benachbarten
Kleinmachnow, plant er jetzt ein regionales "Kinder- und
Jugendbüro". Im Juli soll es eröffnet werden, ein Raum wird noch
gesucht. Es könnte Anlaufstelle für diejenigen sein, die keine Lobby im Spiel
der politischen Kräfte haben, aber immer gern als "unsere Zukunft"
bezeichnet werden - wenn's gerade mal passt.
Beide Sebastians bringen etwas ein. Sebastian Claus, der in
Begrholz-Rehbrücke wohnt, bastelt mit seinen Mitstreitern Jessica (13),
Christian (14) und Daniel (15) an einer "Servicestelle
Jugendbeteiligung". Die Idee stammt aus Berlin, wo es bereits mehrere
dieser Stellen gibt. Der 21-jährige Sebastian Singer reaktiviert den Verein
"Echo 91" und schafft damit ein gemeinnütziges Fundament.
"Wir wollen die Interessen von Kindern und Jugendlichen artikulieren,
durchsetzen und bei Konflikten vermitteln", sagen beide. Aktuelles
Beispiel neben dem Kampf um die Realschule: Weil es in der Region an
Treffpunkten mangelt und die Jugendklubs bereits um 21 Uhr schließen,
versammelt sich ein Teil des Nachwuchses jeden Abend am Schnittpunkt von
Teltow, Stahnsdorf und Kleinmachnow.
Dort ist ein Bolzplatz idealer Rückzugsort. Er hat nur einen Nachteil: Das
Wohngebiet "Stolper Weg" liegt direkt daneben. Streit mit den
überwiegend älteren Anwohnern ist programmiert und hat auch schon statt
gefunden. Hört man auf die Erwachsenen, dann ist der Bolzplatz ein Hort von
Drogen und Gewalt. "Umbaumaßnahmen" sollen Abhilfe schaffen, mit
verstärkter "Polizeipräsenz" wird unverhohlen gedroht.
"Dass die Anwohner ruhig schlafen wollen, ist auch den Jugendlichen
klar. Aber wo sollen sie denn sonst hingehen?" Das Jugendbüro will in
solchen Fällen helfen, zu Lösungen zu kommen, die beide Seiten befriedigen.
Ähnlich ist der Fall im neuen Kleinmachnower Ortszentrum gelagert. Dort wäre
eine Abstimmungsrunde zwischen Mietern und den jungen Skatern dringend
angeraten, denn die Lage droht zu eskalieren.
Seminare und Weiterbildungen für Schülersprecher sollen im Jugendbüro
ebenfalls abgehalten werden. An die Herausgabe einer Zeitschrift ist gedacht.
Für dieses Projekt stünde sogar Geld zur Verfügung. Auch die Stiftung
Demokratische Jugend und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung unterstützen
Aktionen der "Jugendbeteiligung".
Was den beiden Sebastians zum Start noch fehlt, ist ein Büro in der Teltower
Region. Gespräche mit der Stadt liefen "schleppend", jetzt wird
nach Alternativen gesucht. Auch bei den anderen beiden Kommunen soll für die
Einrichtung der Servicestelle geworben werden. Mehr als der Bundeskanzler, so
hoffen die jungen Leute, müssen die Politiker vor Ort ein offenes Ohr für
ihre Belange haben.
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