Flüssig und tödlich
In Ferch wurde in einer Kurve Tempo 40 aufgehoben – mit grausamen Folgen
Schwielowsee
· Ferch - Tödliche Unfälle ereignen sich in Ferch nicht so oft. Als es
am 28. Januar in der scharfen Rechtskurve zwischen Bahnhof Lienewitz
und Ortseingang Ferch krachte, war es für viele im Dorf ein Schock.
Eine Stunde hatte die Fercher Feuerwehr gebraucht, um die Unfallopfer
aus dem zusammengeschobenen Suzuki Alto zu schneiden, der 21-jährige
Beifahrer verstarb an der Unfallstelle. Der Fahrer (19) war auf der
Schneetau-nassen Fahrbahn geradeaus weitergerutscht – gegen einen Baum
– und wurde selbst lebensgefährlich verletzt. Das Dach hatte den
Fahrgastraum regelrecht planiert.
Klar, die beiden
Bundeswehrsoldaten waren zu schnell unterwegs. Für den
Ordnungsamtsleiter von Schwielowsee, Markus Zeeb, wäre der Unfall
vielleicht dennoch vermeidbar gewesen, wenn sie besser gewarnt und
geschützt gewesen wären. Zeeb möchte die 40 zurück, die vor einigen
Jahren dem Tempo 70-Schild gewichen sind. Er möchte Leiteinrichtungen
und dass der dicht an der Kurve stehende Baum gefällt wird, der nicht
zum ersten Mal mit Blech in Berührung kam. Doch Zeeb darf zwar
Knöllchen an Falschparker verteilen. Was die Straßenbeschilderung
angeht, hat er in seiner Kommune allerdings nichts zu melden. Zuständig
ist das Verkehrsamt des Landkreises.
Dessen Fachdienstleiterin Heike
Vierke-Eichler kann mit der Begründung für das neue Tempolimit ganze
Seiten füllen. Die Kurve könne bei optimalen Straßenverhältnissen mit
70 km/h gefahren werden, Verkehrszeichen für „Kurve“ und
„Schleudergefahr“ würden auf die mögliche Gefahr hinweisen. Und noch
ein bisschen Behördendeutsch: „Erläuternd möchte ich noch hinzufügen,
dass Geschwindigkeitsbeschränkungen in der Regel nur auf Grund von
Verkehrsbeobachtungen oder Unfalluntersuchungen dort angeordnet werden,
wo diese ergeben haben, dass für den Fahrzeugführer eine Eigenart des
Straßenverlaufs nicht immer so erkennbar ist, dass er seine
Geschwindigkeit von sich aus dem Straßenverlauf anpasst.“ Beunruhigend.
Laut Vierke-Eichler sei die Kurve
keine „Unfallhäufigkeitsstelle“. Das bestätigt auch der
Polizeischutzbereich Brandenburg: 2002 und 2003 habe es keine Unfälle
gegeben, da stand offenbar noch das 40-Schild. Im Jahr 2004 gab es zwei
Unfälle, nur einer wegen des Tempos, wie Polizeisprecher Torsten Ringel
betont. „Der andere war ein Wildunfall.“ 2005 gab es zwei Unfälle wegen
zu hohen Tempos, im Jahr 2006 auch zwei Unfälle. Bei einem sei „die
falsche Benutzung der Fahrbahn“ Ursache gewesen – wohl zu hohes Tempo.
Bei dem anderen steht in der Polizeistatistik ebenfalls Tempo als
Ursache – zwei Leichtverletzte. Ringel erklärt, dass die Kurve damit
immer noch kein Unfallschwerpunkt sei – „dazu müssen in einem gewissen
Zeitraum fünf Unfälle gleicher Art mit Verletzten passieren“. Man
könnte es so interpretieren: Lebenslange Behinderungen, gebrochene
Gliedmaßen, Traumata und Familiendramen bestimmen, wo in Deutschland
Limits gelten.
In Schwielowsee ist es nicht das
erste Mal, dass das Verkehrsamt die Beobachtungen der Kommune nicht
teilt. Zahlen werden an die Stelle von Erfahrungswerten gesetzt,
„flüssiger Verkehr“ lautet das Stichwort. Zum Beispiel wurde das
30er-Limit vor dem Schloss Caputh aufgehoben. Seniorenheim, Kirche und
Schule sind um die Ecke, dem Verkehrsamt passieren noch nicht genug
Unfälle. Auch in der Kurve direkt am Fercher Ortsausgang Richtung
Neuseddin würden Ordnungsamtsleiter Zeeb die zehn seit 2004 erfassten
Unfälle ausreichen, um hier wie früher wieder 30 auszuschildern, nicht
aber der Verkehrsbehörde des Landkreises.
Vielleicht könnte das im August
2006 verabschiedete Bürokratieabbaugesetz etwas daran ändern: Vier
Kommunen haben es richtig verstanden, als sie im Dezember die
Schilderhoheit beantragten. Die Landesverwaltung hat Auslegungsfragen
vorgeschoben, um die Anträge ablehnen zu können. Autos fahren zu
schnell, die Mühlen der Bürokratie mahlen langsam. „Wir arbeiten an
einer zeitnahen Lösung“, verspricht die CDU-Landtagsreferentin für
Entbürokratisierung, Katja Lötzke. Das könnte Leben retten.
Henry Klix
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